11.01

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Vielleicht gleich zu Beginn zur Beruhigung: Die Kritik ist teilweise berechtigt. Ich muss mich leider dann relativ rasch verabschieden, weil wir nach Brüssel fahren, um die Fiskalregeln hoffentlich heute am Abend zu Ende zu verhandeln. Deswegen zur Beruhigung, Herr Bundesrat Obrecht: Ein bisschen hätten Sie die Kritik doch weiterführen können. (Allgemeine Heiterkeit.)

Vielleicht, weil es schon interessante Ausführungen von Herrn Bundesrat Obrecht waren – ich habe mich wirklich bemüht, zuzuhören –, zu dem, was ich unterstützen kann: Mir ist eines aufgefallen: Sie haben gesagt, wir haben ein Einnahmenproblem und ein Ausgabenproblem. Also beim Ausgabenproblem zumindest bin ich Ihrer Meinung. Das ist zumindest etwas Positives. Das war es dann aber schön langsam mit dem, was ich unterstützen kann. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Jetzt werde ich gerne auf ein paar Sachen im Budget eingehen. Was ich schon klarstellen möchte: Ihre Kritik an der Körperschaftsteuer lasse ich so nicht stehen, weil von dieser Senkung der Körperschaftsteuer 180 000 Unternehmen in Österreich profitieren. Das sind kleine und mittlere Unternehmen, das sind die klassischen KMU, die wir in Österreich haben.

Nur zum Vergleich: Wir haben die Situation, dass zwei Drittel aller Unternehmen in Österreich unter 40 000 Euro Gewinn im Jahr machen, 90 Prozent machen unter 200 000 Euro Gewinn. Also das sind die klassischen kleinen und mittleren Unternehmen, und genau die werden über die Körperschaftsteuersenkung entlastet. Das sind die positiven Nachrichten dazu.

Vielleicht zum Budget insgesamt: Es ist die Budgeterstellung eine herausfordernde Zeit gewesen, ja. Es gibt eine schwächelnde Weltwirtschaft, eine hohe Inflation, natürlich auch hohe Zinsen aufgrund der Bekämpfung der Inflation durch die EZB, den Krieg in der Ukraine, damit verbunden natürlich auch viele Fragen rund um die Energieversorgung, die wir zu lösen haben.

Wir haben dadurch natürlich auch Mehrausgaben, aber auf der anderen Seite auch Mindereinnahmen, weil wir als Bundesregierung Entlastungsmaßnahmen – auch struktureller Natur; die Abschaffung der kalten Progression wurde angesprochen – auch zur Bekämpfung der Teuerung gesetzt haben. Da waren auch sehr viele steuerliche Entlastungen dabei – neben Einmalzahlungen, ja –, und das führt natürlich auf der anderen Seite zu Mindereinnahmen.

Man muss sich bei der konjunkturellen Entwicklung auch immer vor Augen halten, dass 1 Prozentpunkt niedrigeres Wachstum 0,5 Prozent höheres Defizit bedeutet. Das ist eigentlich unglaublich. Wie sich die Situation von Juni bis zur Budgetbeschlussfassung im Oktober entwickelt hat, das entsprach genau diesem 1 Prozentpunkt. Um 1 Prozentpunkt ist das Wachstum zurückgegangen, wissen wir durch die Wirtschaftsforscher und -forscherinnen. Es ist schon interessant, welch unglaubliche Auswirkungen das innerhalb von wenigen Monaten auf das Budget hat.

Dennoch ist es gelungen – Herr Bundesrat Buchmann hat es erwähnt –, mit 2,7 Prozent als eines von wenigen Ländern in der Europäischen Union die 3-Prozent-Maastrichtdefizitgrenze einzuhalten. Andere Staaten, wie beispielsweise die Niederlande und Deutschland, liegen bei 2,9, 3, 3,1 Prozent. Es ist uns also gelungen, zum ersten Mal seit einigen Jahren wieder unter die Maastrichtdefizitgrenze zu kommen.

Wir vergleichen uns ja immer gerne mit Deutschland, vor allem, wenn wir besser sind. Das sind wir wirtschaftlich momentan (Beifall bei der ÖVP), übrigens auch beim Fußball mittlerweile – das freut uns auch (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP – Bundesministerin Gewessler: Und bei der Bahn!) –, auch bei der Bahn, sowieso, Entschuldigung, selbstverständlich. Auch beim Eurovisionssongcontest waren wir besser.

Was ich aber eigentlich sagen will, ist, dass es in Deutschland eine extrem herausfordernde Situation gibt. Es wurde ein Sondervermögen, das die Deutschen eingeführt haben – übrigens war es ein sozialdemokratischer Finanzminister, jetzt Bundeskanzler, der das damals eingeführt hat; okay, man kann über alles reden (Bundesrätin Schumann: ... Schuldenbremse! ...!) –, es wurde ein Sondervermögen in der Größenordnung von 60 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt, und der Verfassungsgerichtshof hat das aufgehoben, und jetzt steht Deutschland da und muss schauen, wo es die 60 Milliarden Euro hernimmt.

Das würde in Österreich – Faktor zehn! – 6 Milliarden Euro bedeuten. Also Entschuldigung, wenn wir das machen würden, dann würden Sie zu Recht kritisieren, dass wir ein unseriöses, intransparentes Budget auf den Weg gebracht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring. – Bundesrätin Schumann: Sagen Sie uns, dass Sie die Schuldenbremse verhindert haben, Herr Bundesminister!) Nun können Sie das aber nicht tun, weil wir die Einzigen sind, die Transparenz beim Budget zeigen, die seriös budgetieren (Beifall bei der ÖVP) und eben keinen Schattenhaushalt, kein Sondervermögen haben, sondern ehrlich budgetiert haben, nach dem Motto: Was es wiegt, das hat es! Das haben wir halt auf den Tisch gelegt.

Jetzt kann man kritisieren, dass es zu wenig ist, zu viel ist, dass eine zu expansive Fiskalpolitik gemacht worden ist. Das kann man alles machen, doch am Ende des Tages sind es wirkliche Zukunftsinvestitionen, die wir machen.

Jetzt muss ich Ihnen, Herr Bundesrat Obrecht, bei einem zweiten Thema recht geben. Was sind die Zukunftsthemen? – Sie haben es angesprochen: Kinderbetreuung, Transformation. Das sind die Dinge, die wir angehen müssen, und genau das adressieren wir mit diesem Budget. Also danke für dieses Lob, das Sie eigentlich schon ausgesprochen haben. Die Hälfte aller Mehrausgaben – 20 Milliarden Euro – geht genau in solche Zukunftsprojekte hinein, eben in die Kinderbetreuung, die wir insbesondere mit dem Finanzausgleich adressieren, in die Transformation der Wirtschaft auf der einen Seite, in die nachhaltige Mobilität auf der anderen Seite, in die Wärmewende. Insgesamt sind es 14 Milliarden Euro, die wir dafür in den nächsten Jahren zur Verfügung stellen. Also Danke für das Lob und die Unterstützung, die wir natürlich sehr gerne annehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Sie beschließen heute auch das Chip-Gesetz. Sie (in Richtung Bundesrat Buchmann) haben das angesprochen, Herr Bundesrat. Ursprünglich geht das auf eine EU-Initiative zurück, mit der auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz der europäischen Halbleiterindustrie gestärkt werden sollen. Es bestehen Lieferabhängigkeiten, die wir dadurch minimieren möchten. Bis 2031 können somit in Österreich 2,8 Milliarden Euro investiert werden. Das ist ein Programm zur Investition in den Standort Österreich, insbesondere natürlich in die Standorte – du hast es angesprochen – in der Steiermark, in Kärnten, die davon sehr stark profitieren werden. Damit können wir diese Halbleiterindustrie, bei der wir im europäischen Schnitt schon Vorreiter sind, noch weiter unterstützen. Das bedeutet insgesamt eine Gesamtinvestition von 7 Milliarden Euro: nicht Budgetmittel, sondern Investitionen in den nächsten Jahren, die ausgelöst werden.

Breitbandförderung ist ein anderes Thema. Wir haben gerade 375 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um den Breitbandausbau weiter voranzutreiben. Auch das ist ein Konjunkturprogramm, Herr Bundesrat Obrecht. Also auch das geht in den Baubereich hinein. Das habe ich vorhin vergessen: Neben Kinderbetreuung und Transformation haben Sie auch den Baubereich angesprochen. Also ja, auch da kann ich Sie beruhigen, auch das werden wir mit diesem Budget entsprechend adressieren. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Steigerung der Arbeitslosigkeit um 5,4 Prozent im Baubereich!)

Jetzt spreche ich noch gar nicht von anderen konjunkturbelebenden Maßnahmen wie dem Heizkesseltausch, den thermisch-energetischen Sanierungsmaßnahmen, die auch in diesem Paket Niederschlag finden und dadurch natürlich auch die Baukonjunktur antreiben. Auch da haben Sie recht: Die Baukonjunktur ist in den nächsten Monaten eines der größten Sorgenkinder. Auch da haben wir aber Programme vorgelegt, wie wir die Konjunktur im Baubereich antreiben können.

Ein weiteres großes Projekt ist die befristete Senkung beziehungsweise Abschaffung der Umsatzsteuer auf die Fotovoltaikanlagen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, es kommt nämlich auch zu einer Vereinfachung des gesamten Systems. Ich war als Oemag-Vorstand über viele Jahre auf der anderen Seite und habe in einer Silvesternacht erlebt, wie das einfach nicht funktioniert hat. Man hat dann versucht, das sukzessive zu erleichtern, indem man von der Silvesternacht weggegangen ist, vier Fördercalls gemacht hat. Das hat dann Frau Bundesministerin Gewessler gemacht und durchgezogen. Trotzdem ist der Andrang so groß, dass man Erleichterungen machen muss, wenn es um die Fotovoltaikförderung geht, und auch das machen wir jetzt mit der Abschaffung der Mehrwertsteuer in diesem Bereich.

Wenn ich gerade beim Bereich Energie und Klimaschutz und dem Zusammenhang mit der Wirtschaft bin: Das muss Hand in Hand gehen. Wirtschaft und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Deswegen haben wir für die nächsten drei Jahre 14 Milliarden Euro im Bereich der Transformation der heimischen Wirtschaft für die Wärmewende, aber eben auch für nachhaltige Mobilität vorgesehen.

Und – und das sind auch Zukunftsausgaben – wir investieren in Wissen. Die Wissenschaft, die Forschung sind ganz entscheidend für die Zukunft. In diesem Bereich investieren wir 16 Milliarden Euro für die nächste Leistungsperiode der Universitäten. Wir werden in Österreich nie die billigsten Arbeitskräfte haben, wir werden nie die billigste Energie haben, aber wir werden die klügsten Köpfe haben. Die haben wir ja Gott sei Dank auch in Europa, in Österreich und das müssen wir weiter unterstützen. Wir investieren daher sehr viel in diesen Bereich. (Die Bundesrätinnen Grimling und Grossmann: Was ist mit Bildung ...?)

Parallel dazu – das wurde im Zusammenhang mit der Abschaffung der kalten Progression schon erwähnt –: Sie diskutieren heute auch das Progressionsabgeltungsgesetz, und auch da sollten wir, glaube ich, neben anderen Initiativen im Arbeitsmarktbereich, im Beschäftigungsbereich, Maßnahmen setzen, die es attraktiver machen, länger zu arbeiten. Der Anreiz, länger am Arbeitsmarkt zu bleiben, ist, glaube ich, ganz wichtig. Wir schaffen mit diesem Gesetz positive Leistungsanreize, indem wir Freibeträge für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit anheben und indem wir – das ist eigentlich das Zentrale – auch Überstunden steuerlich entlasten, um den Leistungsgedanken auch weiter voranzutreiben. (Bundesrätin Schumann: Aber den Teilzeitbeschäftigten helft ihr nicht!)

Und dann – Bundesrat Buchmann hat es auch erwähnt – bringt die Abschaffung der kalten Progression allein für 2024 3,6 Milliarden Euro Entlastung; heuer waren wir ja bei 1,8 Milliarden, nächstes Jahr kommen noch einmal 3,6 Milliarden Euro Entlastung dazu. Das ist wirklich etwas, was sich am Ende des Tages auch strukturell sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es gibt noch eine Herausforderung, die heute noch nicht angesprochen worden ist, und das ist jene des demografischen Wandels. Das ist etwas, was uns in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, natürlich herausfordern wird. Auch da haben wir ganz besonders beim Finanzausgleich – wir haben beim nächsten Mal noch die Möglichkeit, über diesen zu diskutieren – den Fokus darauf gelegt, die Gesundheitsreform mit anzugehen, den Gesundheitsbereich, den Pflegebereich, aber eben auch den Kinderbetreuungsbereich entsprechend zu unterstützen. Wir haben noch genügend Gelegenheit, darüber zu diskutieren, wenn es dann um den Finanzausgleich geht.

Zwei Sätze möchte ich aber zum Finanzausgleich schon noch sagen, weil er gezeigt hat, dass der Gesamtstaat über die Bundesländergrenzen und Gott sei Dank auch über die Parteigrenzen hinaus funktioniert und wir am Ende des Tages alle gemeinsam eine gesamtstaatliche Verantwortung wahrgenommen haben. Das erwarten sich die Menschen ja auch, wenn sie über Politik reden – zu Recht, wie ich durchaus sagen möchte.

Wir haben beim Finanzausgleich zum ersten Mal – und das ist schon ein Paradigmenwechsel – zusätzliche Mittel mit Reformen, mit Zielen verknüpft. Das hat es noch nie gegeben. Beim letzten Mal vor sieben Jahren – damals war Schelling Finanzminister – hat man am Ende des Tages 300 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Ich habe mich immer gewundert, wie man sieben Monate verhandeln kann, um dann am Schluss 300 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Das wäre in einer halben Stunde wahrscheinlich auch gegangen. Aber okay, diesmal sind wir einen anderen Weg gegangen und haben wirklich versucht, das ganz konkret mit Zielen, mit Reformen zu verknüpfen, und das ist Gott sei Dank auch gelungen. In diesem Zusammenhang sage ich auch Danke an den Ministerkollegen Rauch, der sich insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich massiv eingebracht hat.

Es ist also ein zukunftsorientiertes Budget, das Sie heute diskutieren, mit vielen Maßnahmen – (in Richtung SPÖ:) danke für den Hinweis –, die eben genau in die Zukunft gehen: von der Kinderbetreuung über die Transformation und natürlich bis hin zum Sicherheitsbereich, der auch eine große Rolle spielt. Das sind alles Themen, die wir mit diesem Budget adressieren, und in diesem Fall gehe ich davon aus, dass die Sozialdemokratie mitstimmt, weil damit, wie gesagt, alles adressiert ist, was Sie, Herr Bundesrat Obrecht, vorhin in Ihrer Rede erwähnt haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Na geh, Zynismus, Herr Minister! Nicht zu viel Zynismus!)

11.14

Vizepräsidentin Margit Göll: Herzlich begrüßen darf ich auch Frau Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer: Herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen weiter in der Tagesordnung und ich darf Herrn Bundesrat Michael Bernard ans Rednerpult bitten. – Bitte.