Parlamentskorrespondenz Nr. 809 vom 15.10.2008

Finanzmarktkrise: Die Bundesregierung sorgt vor

Neue Gesetze mit weitreichenden und gegebenenfalls teuren Maßnahmen

Die globale Finanzmarktkrise, die ihren Ausgang im Sommer 2007 von den "Sub-Prime"-Turbulenzen in den USA nahm und sich in den letzten Wochen massiv verstärkte, hat die Wirtschaftsaussichten auch in Europa und Österreich stark verschlechtert. Nach der Verstaatlichung wichtiger Banken und Versicherungen durch die US-Regierung und ein 700 Mrd.-Dollar-Paket zur Rettung krisengeschüttelter US-Banken hat auch Großbritannien Banken teilweise verstaatlicht. Deutschland hat Banken mit hohen Garantien abgesichert und, wie unter anderem auch Irland, eine Garantie für alle Bankeinlagen abgegeben, die Niederlande sowie Dänemark setzen nationale Sanierungskonzepte um. Nun hat auch die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt (682 d.B.), der sie erforderlichenfalls in die Lage versetzen soll, die Stabilität des Finanzmarktes effizient, umfassend und rasch zu sichern und somit die österreichische Volkswirtschaft zu schützen. Sollten die mit diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt werden, "könnten die finanziellen Belastungen beträchtlich sein. Sie sind jedoch im Hinblick auf die Stärkung des Vertrauens in den Finanzsektor geboten", heißt es in den Erläuterungen.

Den vorsorglichen Charakter ihres Entwurfs für zum Teil weitreichende Maßnahmen unterstreicht die Bundesregierung mit dem Hinweis darauf, dass die Unternehmen am österreichischen Finanzplatz ausgezeichnete Bonität und Liquidität aufweisen. Dennoch gehe es darum, das Vertrauen von Kunden und Gläubigern in die österreichischen Finanzunternehmen zu fördern. Konkret sollen ein Interbankmarktstärkungsgesetz sowie ein Finanzmarktstabilitätsgesetz Finanzhilfen für betroffene Unternehmen ermöglichen. Zudem soll der Finanzminister zur Sicherung des Finanzwesens vorübergehend gesellschaftsrechtliche Beteiligungen erwerben können. Als ultima ratio ist auch die zwangsweise Übernahme von Eigentumsrechten vorgesehen. Die Abwicklung dieser Maßnahmen soll der ÖIAG obliegen. Im Bankwesengesetz wird eine unbegrenzte - statt der derzeit mit 20.000 Euro begrenzten - Einlagensicherung für die Bankguthaben natürlicher Personen verankert. Zugleich wird das Recht der Finanzmarktaufsicht gestärkt, den Kreditinstituten höhere Eigenmittel vorzuschreiben. Eine Änderung des Börsegesetzes ermöglicht der FMA Leerverkäufe ("short sellings") zu untersagen.

Interbankmarktstärkungsgesetz (IBSG)

Um volkswirtschaftlich schädliche Liquiditätsprobleme infolge einer allfälligen Zurückhaltung von Kreditinstituten gegenüber anderen Banken zu überwinden, sieht ein  Interbankmarktstärkungsgesetz die Übernahme von Bundeshaftungen für eine Clearingstelle zur Ausleihung überschüssiger Liquidität zwischen Banken vor.

Finanzmarktstabilitätsgesetz (FinStaG)

Dieser Entwurf sieht die Sicherung des Finanzsektors im Interesse der volkswirtschaftlichen Stabilität durch privatwirtschaftliche Maßnahmen des Finanzministers vor. Die aktienrechtlichen Voraussetzungen für Kapitalerhöhungen werden beachtet, insbesondere soll durch eine angemessene Anpassung der Managementvergütungen  auch ein nachvollziehbarer finanzieller Beitrag des Managements und der Shareholder für das betroffene Unternehmen geleistet werden. Als "letzter Ausweg" ist eine zwangsweise Übernahme von Gesellschaftsanteilen - gegen Zahlung einer Entschädigung an die bisherigen Eigentümer - vorgesehen. Derartige Eingriffe in Eigentumsrechte sollen mittels Verordnung erfolgen. Die Höhe der Entschädigung sollen gegebenenfalls ordentliche Gerichte festlegen. Die Regierung denkt aber nicht an eine dauerhafte Übernahme von Eigentumsrechten im Finanzsektor. Nach Erreichung des Stabilisierungszwecks soll - unter Rücksicht auf die Kapitalmarktsituation - wieder privatisiert werden. Die Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes sollen einer neu zu gründenden Tochtergesellschaft der ÖIAG obliegen. Die Voraussetzungen und die konkreten Bestimmungen dafür enthält eine Änderung des ÖIAG-Gesetzes. Wegen der Bedeutung der Maßnahmen schreibt der Gesetzentwurf eine Berichtspflicht an den Hauptausschuss vor.

Änderung des Bankwesengesetzes

Die neuen Bestimmungen für Eigenmittelzuschläge ("capital add-ons")  sollen ein effizienteres präventives Aufsichtsinstrument zur Verringerung nicht ausreichend gedeckter Risiken schaffen. Der Höchstbetrag der gesicherten Einlagen für natürliche Personen von 20.000 Euro wird beseitigt. Eine Erhöhung für juristische Personen ist aus sozialen Gründen nicht geboten, auch würde es das System übermäßig belasten. Die Einlagensicherung beruht auf einem sektoralen Umlageverfahren der angeschlossenen Kreditinstitute. Sollte es die Ansprüche nicht erfüllen können, werden von den Instituten auf übersektoraler bundesweiter Ebene nach oben gedeckelte anteilige Beiträge eingehoben. Dieser Höchstbeitrag wird im Interesse der Leistungsfähigkeit des Sicherungssystems erhöht - ohne die einzelnen Kreditinstitute zu überfordern, liest man in den Erläuterungen.

Änderung des Börsegesetzes

Die Finanzmarktaufsicht gibt der FMA die Möglichkeit, zur Stabilisierung des Finanzmarktes Leerverkäufe (short sellings) einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Eine Ergänzung im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes sieht vor, Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht nur aufgrund von Meldungen des betroffenen Unternehmens einzuleiten, sondern auch aufgrund von Informationen der Finanzmarktaufsicht.

Budgetäre Vorsorge

Schließlich ist auch eine Ergänzung des Bundesfinanzgesetzes 2008 vorgesehen. Sie ermächtigt den  Finanzminister, bei der Stabilisierung des Finanzmarktes erforderlichenfalls weitere Finanzschulden einzugehen und den Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen notwendige Mittel über das Ende des Finanzjahres 2008 hinaus zur Verfügung zu stellen. Die mit der vorliegenden Novelle eingefügten Bestimmungen gelten – wie im Übrigen auch alle anderen Bestimmungen des Bundesfinanzgesetzes 2008 – auch für die Dauer des (automatischen) Budgetprovisoriums 2009. (Schluss)